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The Art of Vision Newsletter (07.06.2016)
Nach 17 Jahren Bauzeit ist der neue Gotthard-Basistunnel am 1. Juni 2016 feierlich eröffnet worden. Mit einer Länge von 57 Kilometern ist er nicht nur der längste Eisenbahntunnel der Welt, sondern auch ein einmaliges Meisterwerk der Ingenieurskunst.
Der Gotthard-Basistunnel führt vom Nordportal bei Erstfeld im Kanton Uri zum Südportal bei Bodio im Kanton Tessin. Der Haupttunnel ist 57 km lang und besteht aus zwei Einspurröhren, die 40 Meter auseinanderliegen und alle 325 Meter durch einen Querschlag miteinander verbunden sind. Zählt man alle Verbindungs- und Zugangsstollen sowie Schächte hinzu, misst das ganze Tunnelsystem rund 152 km. Mit einer Felsüberlagerung von bis zu 2300 Metern ist der Gotthard-Basistunnel der am tiefsten unter Tag liegende Eisenbahntunnel der Welt und weist praktisch keine Steigungen auf, der Scheitelpunkt liegt auf 550 m ü. M.
Zwei Multifunktionsstellen unterhalb Faido und Sedrun unterteilen die beiden Tunnelröhren in drei ungefähr gleich lange Abschnitte. In diesen Multifunktionsstellen können die Züge die Röhre wechseln und im Notfall auch anhalten.
Der neue Gotthardtunnel hat am Wochenende über 100‘000 Menschen bewegt. Aus allen Landesteilen und dem nahen Ausland reisten über 80‘000 Besucher auf die vier Festplätze am Gotthard. Die Bahnhofsfeste in sechs Städten wurden von rund 25‘000 Personen besucht. Alle Feierlichkeiten gingen reibungslos und ohne nennenswerte Zwischenfälle über die Bühne. Die SBB zieht ein positives Fazit des Festwochenendes: Das große Publikumsinteresse konnte dank der eingespielten Zusammenarbeit mit den Transportpartnern sowie den Kantonen Uri und Tessin gut bewältigt werden.
Insgesamt besuchten über 100‘000 Personen am 4. und 5. Juni 2016 die Feierlichkeiten rund um den Gotthard-Basistunnel. Auf den vier Festplätzen an den beiden Tunnelportalen wurden am Samstag rund 30‘000 Besucher gezählt, am Sonntag waren deutlich mehr Festfreudige unterwegs. Die SBB erwartet bis Festschluss um 18 Uhr rund 50‘000 Besucher. Von den insgesamt 80‘000 Besuchern nutzten rund 35‘000 die Gelegenheit für eine Fahrt durch den neuen Gotthardtunnel. Die Passagiere lobten durchgehend die gute Mobilfunkabdeckung im längsten Bahntunnel der Welt. Die Festbesucher reisten aus allen Landes-teilen und dem nahen Ausland an. Die Bevölkerung aus den Kantonen Uri und Tessin war ebenfalls stark auf den Festplätzen vertreten. Rund 25‘000 Personen feierten zudem an den Bahnhoffesten am Samstag in Aarau, Biel, Bern, Genf, Zürich und Winterthur. Am meisten Besucher wurden mit rund 10‘000 in Zürich gezählt.
Intensiver Probebetrieb steht bevor
Bis zur fahrplanmäßigen Inbetriebnahme am 11. Dezember dauert es noch 189 Tage. Ab dem Sommer werden im Rahmen des Probebetriebs erste kommerzielle Züge den Basistunnel befahren. Dabei werden die Abläufe in den Bereichen Betrieb, Erhaltung und Sicherheit weiter trainiert und verfeinert. Auch die Schulung von 3900 Mitarbeitenden der SBB und von Drittfirmen auf die spezifischen Bedingungen im längsten Eisenbahntunnel der Welt wird bis zum Fahrplanwechsel abgeschlossen sein.
Fotogalerie Gotthard-Basistunnel
Hier finden sich Bilder rund um den Bau des Gotthard-Basistunnels. Man kann die Fotos kostenlos in hochauflösender Qualität herunterladen. Bei Verwendung bittet der Inhaber der Bildrechte um die Quellenangabe: © AlpTransit GotthardAG.
Mythos Schweiz
Als der Nationalrat über die NEAT, die Neue Eisenbahn-Alpentransversale mit dem Herzstück, dem Gotthard-Basistunnel, Ende der Neunziger Jahre abschließend beriet, saß ich auf der Tribüne des Bundeshauses in Bern. Und noch heute höre ich den Bundesrat Adolf Ogi leidenschaftlich dafür eintreten, dass die NEAT als das neue Jahrhundertbauwerk unbedingt gebaut werden müsse. 15 Jahre später, im März 2011, war der Durchschlag am Gotthard erfolgt, seitdem wurde die Eisenbahninfrastruktur errichtet, und noch im Dezember 2016 soll der 57 Kilometer lange Tunnel – das ist Weltrekord – in Betrieb gehen. Ein Jahr früher als geplant und ohne dass die budgetierten Kosten überzogen werden, die die Schweiz ganz allein trägt (Gesamtkosten 12,2 Mrd. CHF). Die EU hat keinen einzigen Euro dazu beigesteuert. Daran sollten sich die deutschen Eisenbahn- und Flughafenbauer ein Beispiel nehmen!
Die Schweiz ist ein kleines Land. Von der Zentralschweiz am Brünig-Pass kann man sich schnell in alle 4 Richtungen bewegen: nach Bern und in die Westschweiz, nach Luzern und in die Nordschweiz, über den Grimselpass und den Nufenen ins Wallis bzw. ins Tessin oder über die Sustenstraße und den Gotthard ebenfalls Richtung Süden. Noch spannender als die atemberaubenden Straßen und Pässe ist ein Blick vom Himmel, aus einem kleinen Flugzeug in Augenhöhe der 4Tausender und des Mt. Blanc (4.883 m), der als Eisklotz etwas von den noch höheren Bergen in den Anden Südamerikas widerspiegelt. Aus dem Flieger erkennt man unschwer, wie dramatisch sich Jahr um Jahr die Gletscher zurückbilden. Da ich schon öfters so unterwegs war, brauche ich nur die Archivbilder zu vergleichen. Einige davon habe ich vor längerer Zeit der UNESCO für einen Magazinbeitrag zur Verfügung gestellt, die auch gedruckt wurden. Eindrücklicher als am Rhonegletscher erleben wir es nirgendwo. “Gletscher im Leichentuch” oder ähnliche Überschriften lesen wir diesbezüglich in den Printmedien. Gemeint ist damit der untaugliche Versuch, die Eismassen durch Abdeckung mit Textilien vor der Kraft der Sonne zu schützen. Lediglich die Eisgrotte am Rhonegletscher profitiert davon. Ein nahezu makabres Schauspiel, dass die Kamera dokumentiert haben muss.
Ja, gerade die Schweiz als Alpenland ist der Veränderung durch den Klimawandel ausgesetzt; nichts bleibt, wie es ist. Über allem schwebt aber dieser Mythos, den man vielleicht mit der Schweizer Mentalität beschreiben kann, besser (zumindest etwas anders) als die Anderen sein zu wollen. In manchen Bereichen muss man die Qualität neidlos anerkennen. Pars pro toto nenne ich die Schweizeruhr in all ihren Erscheinungsformen. Wer noch nie im Uhrenmuseum in La Chaux de Fonds im Jura gewesen ist, der sollte das unbedingt nachholen. Es gibt einem das sichere Gefühl, mit OMEGA & Co. stets zu wissen, was die Stunde geschlagen hat.
ROBERT BAUER
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