Alfred Herrhausen

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(08.10.2024)

 

 

 

Die zweiteilige Sendung ist in der ARD-Mediathek abrufbar.

Als ich 2004 von Stuttgart nach Frankfurt in die Laufende Bankenaufsicht der Bundesbank (Commerzbank) wechselte und in Bad Homburg eine neue Wohnung fand, lag das Attentat 15 Jahre zurück. Der Tatort selbst war damals/ist auch heute unscheinbar. Wer nicht gerade mit dem Kopf gegen die granitgrauen Stelen der Gedenkstätte am Parkhaus für Taunustherme/Seedammbad stößt bzw. nicht ganz bewusst danach sucht, wird immer wieder ahnungslos daran vorbeigehen und die Hintergründe dieser wahrhaft dramatischen Geschichte nie erfahren. Ich muss zugeben, dass mir das anfangs auch passiert ist. Erst als ich aus gegebenem Anlass das historische Foto des Tatorts mit dem Blick des Fotografen etwas genauer betrachtete, erkannte ich die Stelle als solche und war schon etwas über mich verwundert, ja verärgert, dass mir dieser Umstand entgangen war. Wenn ich ganz ehrlich bin, waren es die auffälligen Kränze, Blumengestecke und einige Kerzenlichter am Straßenrand, die mir – es war der 30. November 2006 – ins Auge stachen. Der größte Kranz hatte eine schwarz-rot-goldene Schleife, und darauf stand der Name “Helmut Kohl”. Hoppla!

Man muss dazu wissen, dass Kohl und Herrhausen, beide Jahrgang 1930, eine enge Freundschaft verband. Auf der Kohlschen Webseite wird Herrhausen bis heute ein eigenes Kapitel gewidmet: https://www.bundeskanzler-helmut-kohl.de/personen-1/alfred-herrhausen/.

Natürlich gehört Herrhausen – nach wie vor – zur DNA der Stadt Bad Homburg vdH. Ein Gedenkkranz der Stadtverwaltung mit den Farben blau-weiß wird ebenfalls jedes Jahr am Tatort niedergelegt, und es werden dazu würdige Worte der Erinnerung gesprochen. Die älteren Einwohner der Stadt haben 1989 noch in guter Erinnerung. Wie könnte man den Event einfach vergessen?

Was Herrhausen als CEO in der Deutschen Bank und drüber hinaus bewirkt hat und wofür er stand, hat nunmehr die Doku in der ARD und haben zuvor die zahlreichen Würdigungen in der Vergangenheit zum Ausdruck gebracht. Wahrscheinlich hatte Herrhausen für Kohl dieselbe Bedeutung wie der Bankier Robert Pferdmenges und die Lichtgestalt Hermann Josef Abs für Konrad Adenauer. Abs hat für die Politik 1952 das Londoner Schuldenabkommen verhandelt, das die Frage der deutschen Reparationszahlungen in Bezug auf den Ersten Weltkrieg abschließend regelt und die Behandlung der Folgen des Zweiten Weltkrieges einem künftigen Friedensvertrag mit einem vereinten Gesamtdeutschland zuwies. Herrhausen hatte sich in den Achtziger Jahren für eine Verbesserung der wirtschaftlichen Beziehungen zu Sowjetrussland und zuletzt – gegen erhebliche Widerstände – für einen Schuldenerlass zugunsten der Entwicklungsländer eingesetzt. Was wäre … wenn … ist ein beliebtes spekulatives Spiel, das nichts zur Wahrheitsfindung beitragen kann. Ich bilde mir allerdings ein, dass die mit Abstand größte deutsche Bank in den Neunzigern und nach der Jahrtausendwende im Sinne von Alfred Herrhausen eine andere, insgesamt bessere Entwicklung genommen hätte als die, die von den Herren Kopper, Breuer und Ackermann im Ergebnis zu verantworten ist. Noch zu Herrhausens Zeiten war die blaue Großbank die unbestrittene Verwalterin der DEUTSCHLAND AG X), und man nahm in den Aufsichtsräten und als Geldgeber unternehmerischen Einfluss auf Flick, Daimler & Co. Nach deren Auflösung veränderte sich der Fokus des Instituts hin zum internationalen Investmentbanking und die Spielertypen hatten das Sagen, was sich in der Finanzkrise als besonders kritisch herausstellte. Ja, es ist mW bis heute so. Das größte deutsche Kreditbuch haben nicht die “Blauen”, sondern die “Gelben”, was den BMF jedoch vor Kurzem nicht davon abhielt, Anteile an der Commerzbank unbedarft zu veräußern und dadurch einen für ihn völlig überraschenden Übernahmeprozess durch die italienische Unicredit zu triggern. Halleluja! Auch diesbezüglich behaupte ich: Wenn heute Manager vom Kaliber eines Alfred Herrhausen in Wirtschaft und Politik das Steuer in der Hand hätten, würden solche Blackouts nicht passieren. Insofern hat Deutschland nach der Wiedervereinigung zweifellos einen Niedergang erfahren; das lässt sich nicht leugnen.

Alfred Herrhausen ist auf dem Bad Homburger Waldfriedhof begraben. Die Grabstätte (die ich rein zufällig bemerkte) ist wie die Gedenkstätte am Tatort sehr bescheiden gehalten. Dazu habe ich bereits in einem NL im Mai das Wesentliche ausgeführt. Für mich sind die von den Steinmetzen eingemeißelten Zitate von Popper und Bach (siehe Bildanhang) sowie der auch in der TV-Doku zitierte Ausspruch von Herrhausen selbst ein Hinweis, was die Nachwelt von diesem Mann in Erinnerung behalten soll. 35 Jahre später vermissen wir solche Menschen mit analytischem Weitblick als Führungskräfte auf allen Ebenen. Oder, was meint Ihr dazu?

 

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X) Die Auflösung der Deutschland AG setzt Ende der 1990er Jahre ein. Bis 2010 sinkt die Verflechtungsdichte unter das Niveau, das im Jahre 1896 erreicht wurde (1,2%). Der Auflösungsprozess lässt sich am Beispiel der Deutschen Bank illustrieren: 1993 hatten die Vorstandsmitglieder der Deutschen Bank zusammen noch 51 Aufsichtsratsmandate in deutschen Großunternehmen; in 10 Unternehmen stellten sie den Aufsichtsratsvorsitzenden. 2010 hatten die Vorstandsmitglieder der Deutschen Bank insgesamt nur noch drei Aufsichtsratsmandate in deutschen Großunternehmen; in keinem Unternehmen stellten sie den Vorsitzenden des Aufsichtsrats. Die Banken haben sich aus dem Netz vollständig zurückgezogen.

 

Anhang

 

 

Dazu passend ein Beitrag des hr auf YOUTUBE:

 

 

 

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