Fotoku(e)nst(ler)

 

Canon 20D_Robert Bauer

Über die Chancen und Risiken von Fototechnik

Oder: Fotos macht jeder. Die Herausforderung ist jedoch, ein gutes Bild zu gestalten!

 

„Mit solch einer teuren Kamera könnte ich auch gute Bilder machen!“

Der Spruch kommt Euch vielleicht bekannt vor. Jedenfalls war er in der analogen Zeit in den Siebzigern und Achtzigern des letzten Jahrhunderts noch eine beliebte Entschuldigung dafür, warum die eigenen Fotos mit der Standardknipse stets nix taugten, verbunden mit der gewagten Schlussfolgerung, dass nur die Anschaffung einer sündhaft teuren Leica R4 (in Kombination mit Kodak Ektachrome professionell) das gewünschte Ergebnis würde liefern können.

Ähnliche digitale Aussagen – 0 oder 1 – kennen wir in Bezug auf Autos (Hinweis: ich bin und bleibe Stuttgarter). Daimler und Porsche waren für uns Jungs dabei stets das non plus ultra, und dieser Anspruch hat sich seitdem kaum verändert, im Schwabenland sowieso nicht. Denn auf der IAA 2017 in Frankfurt las ich immer noch den Slogan: Mercedes-Benz, das Beste oder nix!  🙂

Unstreitig hat die jeweilige Technik (als solche) einen maßgeblichen Einfluss auf das Ergebnis, und zwar überall. Und selbstverständlich macht es tatsächlich einen physikalisch messbaren Unterschied, wenn bei einem Hochleistungsobjektiv aus dem Hause LEICA nur das beste Glas und die mechanisch beste Verarbeitung durch das beste know how der Ingenieurskunst akzeptiert wird. Kompromisse muss man dann kaum eingehen. Wenn ich aber den Unterschied der hohen Abbildungsleistung der Leica-Objektive von der der ebenfalls sehr guten bis hervorragenden japanischen Optiken – wenn überhaupt – erst im Labor, und dort meistens nur im Randbereich, erkennen kann, sodass es für das gewöhnliche Auge des Betrachters überhaupt keine Rolle spielt, machen dogmatische Phantomdebatten, welche Hardware wir für’s Fotografieren unbedingt brauchen, wirklich keinen Sinn. In Digitalien (Canon versus Nikon, Sony, Panasonic, Fuji oder Olympus etc.) schon gar nicht. Denn dort ist alles herzlich willkommen, was uns Fotografen am Ende das gewünschte Ergebnis bringt, bei noch überschaubarem Aufwand. Man muss halt mit der notwendigen Technik gut umgehen können; das gilt aber für vieles andere auch.

In den letzten rund 150 Jahren hingegen nicht verändert haben sich die optischen Gesetze; ohne gutes Licht kann man auch heute nicht gut fotografieren. Und sicherlich einige grundlegende Gestaltungsregeln, die für sich und in der Kombination mehr oder weniger Ewigkeitswert beanspruchen dürfen.

Daher kann ich heute beruhigt feststellen: Wer schon früher in Analogien mehr als Fotos, nämlich gute Bilder, abgeliefert hat, der zeigt uns in der fortgeschrittenen Digitalfotografie von heute noch sehr viel Besseres bis hin zu Unglaublichem. Und wer schon damals die analoge Fotokunst und die Kultur des Sehens nicht richtig verstanden hatte, dessen Fotos sind auch als digitale Pixelwerke nicht wirklich besser geworden. Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr, so heißt es.

Schlussfolgerung:

Wenn wir mit der von uns präferierten Technik gute Bilder machen wollen, werden wir also auch weiterhin unbedingt zur rechten Zeit am richtigen Ort sein müssen, um im entscheidenden Moment die richtige Bildidee umsetzen zu können.

Die vorhandenen Ressourcen im Rahmen der Möglichkeiten „richtig“ investieren und zielgerichtet allokieren, kann man im Laufe der Zeit durch Erfahrung erlernen. Manches macht nämlich prinzipiell Sinn (zum Beispiel früh aufzustehen), und dann muss oft nur noch a bissle das Glück des Tüchtigen dazukommen (z.B. in der Tierfotografie). Anderes lässt man aber per se gleich bleiben, weil man es einfach weiß (z.B. machen in der Mittagshitze fast alle Tiere immer Siesta; ein Wettbewerbsbild kann somit kaum entstehen).

Beispiele aus meiner Praxis:

  • Ja, ich bin in den letzten 15 Jahren mit der Kamera häufiger ganz bewusst in einen Ballon und in ein Kleinflugzeug (mit ausgehängter Fensterscheibe) gestiegen, um die Berge auf Augenhöhe und die Landschaft auch von oben zu fotografieren. Das ist für mich die Perspektive schlechthin.

  • Im Circus zu fotografieren, ist zunächst nicht ganz so einfach. Hier ist weniger oft mehr, namentlich der Verzicht auf die Belichtungsautomatik zugunsten der manuellen Belichtung, die auf die Lichter abgestellt wird. Und man muss a bissle antizipieren können, was z.B. der Clown als nächstes machen wird und wo ich einen Artisten (mit bereits vorher eingestelltem AF) am ehesten „einfangen“ könnte! Wer mit den neusten spiegellosen Systemkameras fotografieren kann, darf sich fast blind auf den ultraschnellen Augen-AF verlassen. In Kombination mit einem starken Tele-Zoom und hoher (unkritischer) ISO ist das Circusaction-Fotografie in einer neuen Dimension.

  • In der Tierfotografie ist möglichst viel Brennweite oft der Maßstab aller Dinge. Mit meiner schon betagten EOS 5D II fotografierte ich deshalb – komplett ohne jede Automatik – ohne weiteres durch ein (optisch herausragendes) Spektiv (Brennweite rund 1000 mm und mehr), ohne dass die Tiere wegen der Unterschreitung der Fluchtdistanz nervös wurden. Aktuell kommen als wirklich guter Kompromiss das Canon RF 100-500 sowie gelegentlich das RF 11/800 an der Canon R6 bzw. an der R7 zum Einsatz, wegen des überragenden Sensors (R6) bzw. des blitzschnellen Autofokus (R7).

http://www.fotocommunity.de/forum/naturfotografie/swarovsli-30x-7ssx-95-ein-dslr-spektiv-der-sonderklasse-392544

 

 

  • Architektur ist immer beides: Dokumentation im klassischen Sinne (möglichst ohne stürzende Linien), aber auch ein Spiel mit geometrischen Formen, bei dem man ohne weiteres die Perspektive losgelöst von oben und unten so variieren darf, dass daraus ein individuelles Seherlebnis entstehen kann. Fast alles geht und hat seine Berechtigung – vom Fisheye bis zur Telekanone, solo und – warum nicht – in Kombination mit einer Nachbearbeitung am Rechner (HDR und/oder Panorama).

  • Abenteuer Präsentation/Projektion: In der analogen Zeit haben mich die Leica-Fotografen, wie ein Hans Gsellmann oder ein Wolfgang Schiemann, mit ihren Leica-Visionen auf 3:1 Panoramaleinwänden (z.B. 7,5 x 2,5m oder 12 x 4m von der Firma Stumpfl) mit 4 bis 5 Leitz Pradovit-Projektoren in Überblendtechnik begeistert. Helfried Weyer optimierte das Ganze schließlich zur TERRAVISION auf Rollei-Mittelformat mit drei nebeneinander stehenden 6 x 6 qm Leinwänden (macht insgesamt 118 qm), auf die er mit insgesamt sechs Hasselblad-Projektoren projizierte, und zwar jede Überblend-Kombination von ihm individuell per Knopfdruck live gesteuert.

  • Panoramaprojektion probierten wir Fotoamateure daraufhin auch, zwar nicht ganz so perfekt, aber fotografisch ansprechend und für kleinere Säle mit bis zu 100 Zuschauern fast das non plus ultra.

  • Seitdem hat sich die Technik komplett gewandelt. Diafilm und Diarähmchen, mit denen wir die Pano-Bilder noch passgenau und unter Vermeidung von Staub und Kratzern mühsamst rahmen mussten, sind schon lange out. Stattdessen hat die computergesteuerte Beamershow Einzug gehalten, mit der prinzipiell ein Licht- und Tonspektakel beliebiger Art abgehalten werden kann. Aber wollen wir das wirklich?

  • Ich persönlich mag es eher nicht, und viele andere auch nicht. Ein Michael Martin, der „Wüstenfotograf“, der in den Achtziger Jahren mit seinen ersten Diashows über die nördliche Sahara durch die süddeutsche Lande zog und heute fotografisch bei PLANET WÜSTE bzw. bei PLANET ERDE sowie bei Phoenix und ARTE im TV gelandet ist, will ebenfalls lieber authentisch bleiben. Dazu gehört für ihn unabdingbar, dass er sich auf der Bühne selber live präsentiert und zu seinen Bildern komplett live kommentiert. Denn Life ist eben live! Wir wollen auch noch die Geschichten zu den Bildern und „behind the pictures“ hören, die uns nur der Fotograf erzählen kann. Und zwar genau so, wie er sie subjektiv erlebt hat.

In diesem Sinne möge jeder seinen eigenen Weg finden und dabei „glücklich“ werden. Denn darauf kommt es ja schließlich an, in der Fotografie und im Leben ohnehin. Oder nicht?  :-))

 

 

 

 

English Translation (at your own risk)

 

About the opportunities and risks of photo technology

Or: Everyone can take photos. However, the challenge is to create a good picture!

 

“With such an expensive camera I could also take good pictures!”

The saying may look familiar to you. In any case, it was a popular excuse in the analogue era of the seventies and eighties of the last century for why one’s own photos were always useless due to a simple standard camera. The daring conclusion was that only the purchase of a sinfully expensive LEICA R4 (in combination with Kodak film Ektachrome professional) would deliver the desired result.

We know similar digital statements – 0 or 1 – about cars (please note: I was born in Stuttgart). For us guys Daimler and Porsche were always the best plus ultra and this claim has hardly changed since then, not in Swabia anyway. Because at the IAA 2017 in Frankfurt I still read the slogan: Mercedes-Benz, the best or nothing!  🙂

Undoubtedly, the respective technology (as such) has a decisive influence on the result everywhere. And of course, it makes a physically measurable difference if only the best glass and the best mechanical processing are accepted by the best know-how of engineering in a high performance lens from LEICA. You hardly have to compromise. But if I can only see the difference between the high imaging performance of the LEICA lenses and that of the equally very good to excellent Japanese optics – if at all – in the laboratory (so that it doesn’t matter at all to the ordinary eye of the beholder), dogmatic phantom debates about the hardware we absolutely need for photography really don’t make any sense. Not at all in digital media (Canon versus Nikon, Sony, Panasonic, Fuji or Olympus etc.). Because everything is welcome, which brings us photographers the desired result at the end with still manageable expenditure. You just have to be able to handle the necessary technology well, but this also applies to many other things.

In the last 150 years the optical laws haven’t changed at all. Without good light you can’t take good pictures. And certainly there are some basic design rules, which may claim more or less eternal value for themselves and in combination.

Therefore, I can state with reassurance today: Those who already delivered more than analogue photos in the past, namely good pictures, in context with the advanced digital photography of today show us even much better results up to the unbelievable. And those who didn’t really understand the analogue art of photography and the culture of seeing at that time could not improve their performance. Their photos don’t really get any better as digital pixel works either. What little Hänschen doesn’t learn, the adult Hans won’t learn either. This is part of our experience of life.

Conclusion:

If we want to take good pictures by any technology we prefer, we furthermore will have to be in the right place at the right time in order to be able to realize the right idea at the right moment.

The available financial resources can be invested “correctly” within the scope of the possibilities and allocated in a targeted manner, and one can learn from experience over time. Because some rules make sense in principle (for example getting up early), and then often only the luck of the brave has to be added (for instance in animal photography). On the other hand ideas should be given up per se, if we simply know that they cannot work (e.g. in the midday heat most of the animals take siesta; therefore a good competitive picture can hardly be created).

Examples from my practice:

Yes, during the last 15 years I have consciously climbed into a balloon and into small airplanes (with the window pane removed) to photograph the mountains at eye level and the landscape from above.

Photographing in a circus is not that easy at first. Here less often is more, namely the abandonment of automatic exposure in favor of manual exposure focussed on the lights. And you have to be able to anticipate a bit what e.g. the clown will do next and where you could “catch” an artist (with AF already set)!

In animal photography as much focal length as possible is often the measure of all things. With my already aged EOS 5D II I shoot – completely without any automatic exposure or focus – through a (optically outstanding) spotting scope (focal lenght about 1000 mm and more) without the animals getting nervous because of not touching the escape distance.

Architecture is always both: documentation in the classical sense (if possible without falling lines), but also a game with geometric forms in which one can easily vary the perspective detached from above and below in such a way that an individual visual experience can emerge from it. Almost everything works and is justified to be tested – from fisheye to telecannons, solo and – why not – in combination with post-processing on the computer (HDR and/or panorama).

Adventure presentation/projection: In analogue time, the LEICA photographers like Hans Gsellmann or Wolfgang Schiemann inspired me with their LEICA-Visions on 3:1 panorama screens (e.g. 7.5 x 2.5m or 12 x 4m made by Stumpfl) with 4 to 5 Leitz Pradovit projectors in crossfade technology. Helfried Weyer finally optimized projection for his TERRAVISION on Rollei medium format using three 6 x 6 sqm screens standing next to each other (a total of 118 sqm), on which he projected with a total of six Hasselblad projectors. Each fade combination being individually controlled live by him by the push of a button.

Following the professionals, we as amateur photographers also tried panorama projection, not quite so perfect, but photographically appealing and for smaller rooms with up to 100 spectators almost the ultimate experience.

Since then technology has changed completely. Slide film and slide mounts with which we had to frame the Pano pictures precisely and painstakingly avoiding dust and scratches, are long out. Instead, the computer-controlled beamer show has found its way in, by what in principle a light and sound spectacle of any kind can be held. But do we really want that?

Personally, I don’t like it very much, and many others don’t either. Michael Martin, the “Desert Photographer”, who in the eighties travelled through southern Germany presenting his first slide shows about the northern Sahara and today with respect to PLANET DESERT and PLANET EARTH cooperating with Phoenix and ARTE on TV, also prefers to remain authentic. For him it is indispensable that he presents himself live on stage and comments completely live on his pictures. Because Life should be live! We also want to hear the stories about the pictures and “behind the pictures” that only the photographer can tell us. And exactly the way he experienced them subjectively.

In this sense everyone may find his own way and become “happy”. That’s what it’s all about, in photography and in life anyway. Or is it not?  I don’t like ideological discussions. 🙁

 

Durch ein Spektiv kann man auch fotografieren.
Durch ein Spektiv kann man auch fotografieren.

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